„Aller gute Dinge sind drei“, sagt ein altes Sprichwort. Und das besitzt auch für den Arlberg Trail Gültigkeit. Denn dort gilt das dritte Teilstück von Lech nach St. Anton als „Königsetappe“.

Diese Einstufung rührt vielleicht daher, daß dieser Abschnitt vielleicht der landschaftlich schönste, aber zugleich sportlich herausforderndste Abschnitt des noch jungen Fernwanderwegs durch die herrliche Bergwelt an der Grenze zwischen Tirol und Vorarlberg ist. Und daher sollte man dem immer wieder zu hörenden Rat folgen, unbedingt die erste Bergbahn hinaus zum Rüfikopf zu nehmen und dann zügig loszumarschieren.

Also steigen meine Frau Christine Schneider, unser bergerfahrener Hund Arco und ich an der Talstation pünktlich in die 8.30 Uhr-Gondel ein und genießen den großen Vorteil des Arlberg Trail: Die Seilbahnen nehmen einem jeden Tag einen schweißtreibenden und kräftezehrenden Aufstieg ab. 890 Höhenmeter ersparen wir uns dadurch heute. Ohne diesen Service wäre schon zu Beginn klar gewesen: Wir können dieses Tagespensum unmöglich schaffen. Aber so weckt schon die gut zehnminütige Fahrt hinauf auf 2350 Meter mit ihren fantastischen Ausblicken Vorfreude auf das, was heute noch kommen soll.

Ein traumhafter Blick zum Start: herrliche Bergwelt, wohin das Auge reicht.

Für die toll gestalteten Infotafeln des Geowegs, dem wir zu Beginn immer wieder kreuzen respektive auch folgen, bleibt uns leider viel zu wenig Zeit. Aber die bei diesem „Spaziergang durch Jahrmillionen“ über ein versteinertes Meer mit allerlei Überbleibseln der Tier- und Pflanzenwelt (wie Muscheln und Tintenfische) liebevoll in die Szenerie platzierten Stelen aus Steinen aus dem Gebirge hier sind auf dem Weg hinüber zum Ochsengümple immer wieder die pure Augenweide.

Wunderschön: die Naturstein-Stelen entlang des Geowegs in der Nähe der Bergstation der Rüfikopfbahn.

Und das gilt auch für die anmutige Hochmoorlandschaft, die anschließend auf uns wartet und uns so begeistert, dass uns der erste zackige Anstieg über gute 200 Höhenmeter hinauf zur Rauhkopfscharte nicht die geringsten Probleme bereite. Am Grenzstein erkennen wir, daß hier auf dem Kamm Vorarlberg und Tirol aneinanderstoßen. Aber für die Natur spielt das nicht die geringste Rolle. Und für uns auch nicht: Die Schönheit der Landschaft ist einfach grenzenlos!

Für die Natur spielen Grenzen (wie hier zwischen Vorarlberg und Tirol) keinerlei Rolle.

Und von hier aus entdecken wir unser erstes Zwischenziel für heute bereits von weitem: Die Stuttgarter Hütte zieht uns geradezu magisch an. Schon nach 100 Minuten sind wir an dieser Unterkunft der Sektion Schwaben des Deutschen Alpenvereins. Ihre Vorgängerin wurde 1910 gebaut, war aber schon nach zwei Jahrzehnten so baufällig, dass sie abgerissen und fünf Jahre später neu aufgebaut wurde. Gottseidank, denn hier oben am Krabachjoch ist es einfach herrlich.

Ein wunderbares Ziel für eine erste Rast: die traditionsreiche Stuttgarter Hütte am Krabachjoch.

Wir sind offensichtlich gut drauf heute und haben Vorsprung auf die „Marschtabelle“. Um „11.15 Uhr, allerspätestens um 11.30 Uhr“ sollen wir indes wieder weiter, hat uns Markus Hahn vom Tourismusverband Lech Zürs, der den Arlberg Trail ganz wesentlich mit konzipiert hat, beim morgendlichen Treffen eingeschärft. Und wir haben mit „Alles klar“ geantwortet. Doch wir verplaudern uns mit Ang Kami Lama, dem freundlichen Hüttenwirt, der erst vor ein paar Monaten als Sherpa auf dem Dach der Welt gestanden ist – und natürlich hat er  dabei auch ein Leiberl von der Stuttgarter Hütte mit hinauf auf den Mount Everest genommen.

Höher geht’s auf dieser Erde nimmer: Ang Kami Lama, der Wirt der Stuttgarter Hütte, auf dem Mount Everest (Foto: privat)

Zudem schmecken sein Mango Lassi und seine Momos (eine Art nepalische Maultaschen) einfach klasse. Von denen haben uns schon im Ochsengümple entgegenkommende Wanderer vorgeschwärmt. Und es ist einfach super, daß auf einer Alpenvereinshütte auch mal etwas anderes serviert wird all das allüberall präsente Tiroler Gröstl oder die fast unvermeidbaren Spaghetti Bolognese. Toll auch, dass ein Nepalese in dieser Berghütte mal (wie sonst üblich) keine Hilfskraft, sondern der Chef ist. Im Gespräch mit ihm hat man den Eindruck, dass er ebenso begeisterter Sherpa (aus diesem Bergvolk im Osten seines Heimatlandes stammt er) wie überzeugter Tiroler ist. Mit dem Pendeln zwischen den (Berg)Welten kommt er offensichtlich bestens zurecht, und so vergeht die Zeit wie im Fluge.

Die Momos auf der Stuttgarter Hütte schmecken einfach wunderbar…

Ehrlich gesagt: Zu viel Zeit. Unser fröhliches Miteinander bringt uns eine 20minütige „Verspätung“ ein. Das stört uns zunächst nicht groß. Noch sind wir fit und erreichen das Erlijoch auf 2431 Meter sogar ein paar Minuten früher als vom freundlichen Kellner auf der Stuttgarter Hütte vorhergesagt. Wir haben also wieder ein paar Minuten gut gemacht.

Auf dem Erlijoch lief noch alles nach Plan…

Allen, die auf unseren Spuren wandeln (und wandern) wollen, sei indes ans Herz gelegt: Gut aufpassen und nicht denselben Fehler machen wie wir! Also: Nicht auf den verlockend einfach geradeaus über die Scharte in den Schotter führen Pfad nehmen! Denn der ist nach einigen Erdrutschen so ziemlich hin, oft nur ein paar Zentimeter breit und dadurch recht gefährlich (wir sind heilfroh, als wir dann wieder auf dem richtigen Weg sind). Sondern der Versuchung widerstehen, sondern der „Umleitung“ leicht links bergauf folgen!

Der Abstieg hinunter ins Almajurtal ist traumhaft schön und führt durch herrliche Blumenwiesen. Christine kann da gar nicht anders, als immer wieder stehen zu bleiben und Goldrute zu sammeln. Solidago (so der botanische Ausdruck) soll ja bei Nierenproblemen helfen.

Eine herrliche Blumenpracht auf den Wiesen über dem Almajurtal – hier der Türkenbund.

Drunten auf der Erlachalpe werden wir von einem herrlichen Kuhglocken-Konzert, können uns aber leider hier am Ende des Almajurtals nicht aufhalten. Denn jetzt ist klar: Wir haben beim Abstieg zu viel Zeit vertrödelt respektive durch unseren „Irrweg“ verloren – und daher beginnt jetzt der Kampf gegen die Uhr! Erst mittags um 2 in der Talsohle zu sein, ist definitiv zu spät…

Dennoch fühlen wir uns weiter gut und steigen nach oben. Die letzten 750 Höhenmeter türmen sich wie eine Wand vor uns auf. Aber das macht uns nichts aus. Wir nehmen die Herausforderung der zweistündigen Direttissima an, kämpfen uns fast senkrecht erst durch Latschen und dann durch Geröll nach oben, eine kurze Trinkpause geht sich noch aus (heute habe ich im Gegensatz zum Tag davor gottlob genügend Wasser dabei), den idyllischen Knoppenkarsee kann ich indes kaum eines Blickes würdigen.

Der letzte Anstieg hinauf zum Knoppenkar steht wie eine Wand vor uns.

Oben auf dem Knoppenkar erleben wir um 16.10 Uhr indes eine böse Überraschung: Bisher war die Beschilderung und Markierung ganz hervorragend, hier an dieser Schlüsselstelle ist sie indes mehr als miserabel. Wir beide suchen verzweifelt die Bergstation der Vallugabahn, die laut Text in unseren Unterlagen „nur noch wenige Höhenmeter“ von uns entfernt sein soll (laut Nachrecherche auf der Wanderkarte sind es übrigens noch 120, was nach solch einer Tour nicht gerade ein Pappenstiel ist – ebensowenig wie die Strecke von fast eineinhalb Kilometern, die wir auch noch hätten zurücklgen müssen). Aber wir sehen sie ebensowenig wie das Bergrestaurant, das gleich daneben liegen soll. Lindwurm und Hahnturm, die beiden Gipfel neben dem Vallugagrat versperren uns (wie wir später herausfinden) den Blick, auf den Schildern steht nur „Valluga“ und die mit Spray auf die Felsen aufgebrachte Markierung (das weiße stilisierte A) verlässt uns auch. Schöner Mist!

Da hätten wir hin sollen (und wollen): die Bergstation der Vallugabahn I.

Jammern bringt uns auch nicht weiter. Der Entschluss ist schnell gefasst: Dann steigen wir eben übers Valfagehrjoch hinab zur Ulmer Hütte. Nach ein paar Metern auf der im Sommer nicht gerade hochästhetischen Skipiste sehen wir über uns die Gondel der Vallugabahn zu Tale schweben. Es ist kurz nach 16.30 Uhr. Wir haben die letzte Bahn verpasst, sehen aber immerhin, wo wir hätten hin sollen – so wir denn den Weg gefunden hätten. Aber wir schließen unseren Frieden damit: Besser so, als daß wir zum Ziel gehetzt wären und uns die Bahn dann vor der Nase weggefahren wäre. Und der Abend mit der herrlichen Aussicht von der Stuttgarter Hütte plus der Abstieg am nächsten Morgen hinunter zur Bergstation der Galzigbahn war ja auch schön.

Das Ende einer wunderbaren, aber anstrengen Tour: der Nlick von der Ulmer Hütte Richtung St. Christoph.

Fazit:

Der Arlberg Trail ist ein faszinierender Fernwanderweg durch eine herrliche Landschaft. Daß er ausgerechnet am Schluß durch die schlechte Beschilderung und mangelhafte Markierung das größte Manko aufweist, läßt einen freilich innerlich den Kopf schütteln. Das sollte spätestens mit der nächsten Wandersaison behoben werden.

Das enge Zeitfenster, in die diese letzte Etappe durch die Betriebszeiten von Rüfikopf- und Vallugabahn eingezwängt ist, trübt ebenfalls die Wanderfreude. Morgens eine halbe Stunde früher öffnen (also um 8) und abends eine halbe Stunde später schließen (also um 17 Uhr) – damit wäre schon viel gewonnen. Und es wäre im Grunde angesichts dessen, dass der winterliche Skibetrieb mit den vielen Liften (für deren Nutzer natürlich toll) der Landschaft durchaus auch Wunden und Narben geschlagen hat.

Und wer die Tour nicht als Pauschale mit Gepäcktransport bucht, sondern selbst organisiert, der kann ja gleich unsere Notlösung mit der Ulmer Hütte von vornherein mit einplanen. Denn das erspart einem Hetze und Hektik, die in den Bergen ja eigentlich nichts verloren haben.

Die sonst so zuverlässige Markierung zeigt ausgerechnet kurz vor Schluß an der Schlüsselstelle beim Knoppenkar die größte (und einzige) Schwäche.

Strecken-Stenogramm

Länge: 13 Kilometer
Aufstieg: 1225 Meter
Abstieg: 925 Meter
Dauer: 6,5 Stunden reine Gehzeit (aber mehr Zeit einplanen, zu viel Schönes wartet!)

Informationen zur gesamten Wanderung findet Ihr hier.

Wissenswertes zu den Gemeinden entlang der Strecke gibt es hier: St. AntonStubenLech/Zürs.

Ihr wollt wissen, wie es auf den ersten beiden Etappen des Arlberg Trail war? Bitteschön!:

Der Arlberg Trail (2): Stuben – Lech am Arlberg