Die Trennung von Kirche und Staat – dadurch genießt ja Frankreich weithin Bekanntheit. Das heißt aber beileibe nicht, dass es dort keine schönen Kirchen gäbe. Ganz im Gegenteil. Das gilt nicht zuletzt auch für die Gotteshäuser in Joigny an der Yonne. Wie das ganze Städtchen faszinieren auch sie einen durch die Schönheit, die sich einem oft erst auf den zweiten Blick offenbart.
Das gilt natürlich auch für St. Jean – die Johanneskirche, die in der Keimzelle über der Stadt, innerhalb der ersten Stadtmauer auf dem höchsten Punkt des Gemeinwesens thront, das entstand, als hier an der Schnittstelle zwischen der Champagne, Burgund und dem Königreich Frankreich, Rainald der Alte, ein Graf von Sens Mönche von diesem strategischen Ort verjagte und sich zum ersten Graf von Joigny kürte. Ende des 10. Jahrhunderts soll das gewesen sein.
Noch heute ist es ein beeindruckender Anblick, wenn man mit dem Haus des Vogtes (Mais du Baillie) im Rücken auf den Platz mit Kirche und Schloss schaut. Aber man sollte sich nicht damit begnügen, sondern auf jeden Fall auch hinein ins Innere des Gotteshauses aus dem 16. Jahrhundert gehen. Und dort den Blick nach oben richten.
Da faszinieren zum einen die archaischen Figuren hoch oben, die vermutlich zum einen das Böse symbolisieren, es aber auch verjagen sollte.
Und schlichtweg faszinierend ist auch die Kassettendecke, laut Robert Markzoll, einem profunden Kenner der Geschichte Burgunds, der Stadtführungen zur hellen Freude werden lässt, die größte dieser Art in ganz Frankreich.
Man sollte den Blick aber auch auf ein Grabmal richten: Adelaide von Joigny ruht dort; „die schönste Frau, die Frankreich je gesehen hat“, soll sie gewesen sein. Und das will in diesem Land, in dem ja die schönsten Frau der Welt beheimatet sein sollen, ja schon etwas heißen. Auf jeden Fall war sie die einzige Frau, die an allen drei Tagen der mittelalterlichen Ritterturniere zuschauen durfte (die anderen nur am Schlusstag). Vermutlich war sie den edlen Recken herrliche Inspiration.
Unten in der Stadt wartet Sainte Thibault, die dem Heiligen Theobald von Provins geweihte Kirche auf die Besucher. Der starb 1066 in der Nähe von Vicenza in Norditalien, später überführte man seine Genbeine in seine Heimatstadt Provins in der Ile-de-France. Auf jeder Station unterwegs erinnert eine Kirche oder Kapelle an den Gottesmann, der in deutschen Landen eher unbekannt ist, aber in Italien schon zu Lebzeiten aufgrund seines Einsiedler-Lebens in strenger Armut als Heiliger verehrt wurde. Joigny war der letzte Halt, bevor seine Überreste in seiner Geburtsstadt ankamen.
Sein Konterfei findet man immer wieder in Joigny – sei es an Fachwerkhäusern oder an der Grenze zwischen zwei Pfarrbezirken in der Rue des Saints, der Straße der Heiligen.
Auch in Saint Thibault schlägt einen eine schöne Frau in den Bann: die Jungfrau mit den Lächeln. Dieses Standbild aus dem 13. Jahrhundert ist älter als die Kirche selbst, und dass sie über Jahrhunderte hinweg so verehrt wird, verwundert kaum – schließlich zeigt sie die Maria nicht überhöht und entrückt, sondern als glücklich Mutter Gottes, in deren Gesicht sich die Freude und der Stolz einer jeden Mama widerspiegelt. Zutiefst Menschliches eben.
Doch Robert Markzoll weist einen auf noch ein Detail hin: das einzige Glasfenster in ganz Frankreich, das die Visionen der Bernadette Soubirous in Lourdes thematisiert, der 1858 die Mutter Gottes erschien (was ihr zunächst niemand glaubte).
Überhaupt: für die Kirchengeschichte ist das kleine Städtchen ein ganz wichtiger Ort. Von hier stammt zum Beispiel Sophie Barat, die Gründerin des Ordens der Sache-Couer-Schwestern, der mittlerweile mit 3000 Frauen in 41 Ländern vertreten ist und sich vor allem der Bildung für junge Mädchen verschrieben hat.
Und Hauslehrer der Kinder des Grafen von Joigny war zu Beginn des 17. Jahrhunderts der spätere Heilige Vinzenz von Paul, der als Gründer der Caritas gilt.
Informationen zur Stadt: http://www.joigny-tourisme.com
Robert Markzoll ist hier zu erreichen: http://www.reisefuehrung-burgund.com
Übernachtung: Camping Joigny. Herrlich gelegen, direkt an der Yonne. ACHTUNG: öffnet erst am 1. Mai. E-Mail: camping.joigny@orange.fr
Alternative: Camping de La Cascade. Rund 1 Stunde entfernt ebenfalls herrlich gelegen direkt an Wasserfall und Badeplatz. ACHTUNG: normalerweise keine Hunde erlaubt.