Das Glück vom Vortag hat uns verlassen. Die ganze Nacht hat es durchgeschneit, und so ist der Kienberg, auf den wir eigentlich wollen, oben voller Schnee. Und der Gipfel zudem wolkenverhangen. Das wäre erstens vielleicht zu gefährlich und zweitens auf jeden Fall völlig sinnlos.
Michael Mairhofer vom Tourismusverband Alpbachtal Seenland empfiehlt uns ein Alternativprogramm: morgens das Museum Tiroler Bauernhöfe (davon in einer anderen Folge dieses Blogs), mittags die Tiefenbachklamm.
Und so machen wir es auch. Der „Tiefenbach“ ist eigentlich die Brandenberger Ache. Wir wandern sie aufwärts, entgegen des Stroms. Wild tost sie – mal mehr, mal weniger weit unter uns. Ihre grüne Farbe lässt mich staunen, ihre urwüchsige Kraft, mit der sie sich seit undenklichen Zeiten durchs Gestein frisst, fasziniert mich.
Ein Dokument aus dem Jahre 1412 erwähnt zum ersten Mal die Brandenberger Holztrift. Die Bäume waren ein wichtiger Rohstoff für die Hütte in Brixlegg, wo Silber und Kupfer aus dem nahen Bergwerk verarbeitet wurde.
Man schlug die Bäume im Winter, sammelte sie in künstlichen Wehren, und wenn nach der Schneeschmelze genügend Wasser vorhanden war, dann schlug man die Sicherungen mit einem Schlag weg – und die angestaute Flut riss die Baumstämme mit. Zweimal in der Woche gab es in der warmen Jahreszeit dieses spektakuläre Schauspiel. Rund 30 000 etwa fünf Meter lange Stämme schossen da ins Tal hinab. Hintereinander gereiht ergäbe das also eine „Schlange“ von rund 150 Kilometern.
Doch mit der immer besser werdenden Straßen-Infrastruktur und Fahrzeug-Technik war es nach 554 Jahren vorbei mit der Holztrift: 1966 sausten die letzten Stämme von der Erzherzog-Johann-Klause zum Inn.
Nun begeistert die Klamm vor allem durch ihre wilde Romantik, die man von dem alten Triftsteig aus genießen kann. Und entlang der Brandenberger Ache haben sowohl seltene Pflanzen wie die Hirschzunge (ein Farn) das Große Zweiblatt (eine Orchidee) oder Türkenbund und Salomonssiegel ihre Heimat.
Es gibt also eine Menge zu sehen in der Tiefenbachklamm. Wir genießen das, wir können uns ja Zeit lassen. Nach knapp zwei Stunden gönnen wir uns noch einen Kaffee in der Jausenstation Tiefenbachklamm.
Danach geht es flott weiter. Auf einer Waldwiese steht ein altes Bauernhaus, das sich glatt als Altersruhesitz eignen würde, wäre es nicht schon vergeben. Eine Kurz-Rast auf dem Bänkle davor aber muss an diesem herrlichen Platz einfach sein.