Die Lebensader des Erzgebirges: Das war über Jahrhunderte hinweg zweifelsohne der Bergbau. Aber die Arbeit unter Tage schuf nicht nur das Fundament für beachtlichen Wohlstand, sondern zugleich auch Identität. Noch heute tragen Traditionsvereine bei den Bergparaden im Erzgebirge voller Stolz die Festtagskluft der Bergmänner. Klar, dass das Europäische Kulturhauptstadtjahr in Chemnitz und seiner Region keinen Bogen um dieses Thema herum machen kann und auch will: Im Staatlichen Museum für Archäologie wird es noch bis zum 29. Juni unter dem Motto „Silberglanz und Kumpeltod“ bis in kleine Details ausgeleuchtet.

Auf 1000 Quadratmetern hat Kurator Dr. Jens Beutmann gemeinsam mit dem Historiker Dr. Christian Landrock und dem Archäologen Dr. Anton Gontascharov die bisher aufwendigste Sonderausstellung in dem im ehemaligen Kaufhaus Schocken untergebrachten Museum gestaltet. „Wir wollten dabei aber nicht nur die Technik darstellen, sondern auch die gesellschaftlichen Auswirkungen des Bergbaus zeigen und die Tradition würdigen“, schildert Beutmann den Ausgangspunkt der Arbeit der drei.

Die Menschen im Erzgebirge sind heute noch stolz auf ihre reiche Bergbau-Tradition.

Das erste „Berggeschrey“ (ein Jubelruf, wenn man auf reiche Erzvorkommen gestoßén war) im Erzgebirge ertönte vor gut 850 Jahren in der Nähe des heutigen Freiberg, wo man auf beachtliche Silbererzgänge gestoßen war. Die Folgen ähnelten dem, was man sieben Jahrhunderte später im Wilden Westen als „Goldrausch“ beschrieb: Das Edelmetall entfaltete eine regelrecht magnetische Wirkung, Abenteurer und Menschen mit der Sehnsucht auf eine bessere Zukunft strömten nur so herbei, um sich ihren Anteil an den Schätzen der Erde zu sichern.

Eine gehörige Portion Wagemut mußte man freilich schon mitbringen, um sich den Traum zu erfüllen. Gleich zu Beginn der Ausstellung zeigt eine Skulptur aus dem Jahre 1911 eine mittelalterliche „Seilfahrt“, bei der sich die Bergleute in wahren Trauben Hunderte Meter in die dunkle Tiefe hinunter ließen. Und auch die Holzleitern boten nicht gerade ein Höchstmaß an Sicherheit. Gefahr drohte auch durch den Sauerstoffmangel. Aber die Menschen waren vor 500 Jahren schon findig: Davon zeugt zum Beispiel der Nachbau einer Belüftungsmaschine, die um 1540 zum Einsatz kam. Bei alledem ging’s unter Tage auch düster zu: In den spärlich leuchtenden Lampen wurde anfangs vor allem Tierfett verbrannt.

Keine große „Erleuchtung“: Bergmanns-Lasmpen aus dem Mittelalter.

Das war auch die Zeit des zweiten Berggeschreys, das auch den Beinamen „groß“ trug und mit dem der Bergbau in höhere Regionen des Erzgebirges vordrang. Bergstädte wie Schneeberg (1471 gegründet) Annaberg (1496) oder Oberwiesenthal (1527) schossen aus dem Boden – verbunden mit einem großen Bevölkerungswachstum in der Region, denn nicht nur Bergleute, sondern auch Handwerker wurden in großer Zahl angelockt. Wohlstand stellte sich ein, und von dem zeugt auch ein prächtiger Trinkpokal, den der Freiberger Goldschmied Andreas Müller 1680 kunstvoll aus heimischen Silber gestaltete.

Das Erzgebirge ist stolz auf seine Bergbau-Tradition – davon zeugt auch dieser Jahrhunderte alte Pokal in der Sonderausstellung „Silberglanz und Kumpeltod“ im Chemnitzer Archäologiemuseum. Den Hut kann man abnehmen und aus dem vom Freiberger Goldschmied Andreas Müller gefertigten Gefäß trinken. 

Um Streitigkeiten zu vermeiden (oder im Fall des Falles ein Urteil zu fällen) besaßen exakt vermessene Grenzen natürlich enorme Bedeutung. Die Markscheider (wie dieser Beruf genannt wurde) waren daher wichtige Persönlichkeiten und in der Regel durchaus wohlhabend. Darauf läßt zumindest das Porträt schließen, das der sächsische Oberhofmaler Samuel Bottschild zur Barockzeit von dem Berghauptmann Caspar von Schönberg anfertigte – der hält darauf einen Gradbogen, ein wichtiges Handwerkszeug des Markscheiders, in der Hand.

Der Berghauptmann Caspar von Schönberg mit dem Gradbogen – einem Vermesserungsgerät.

Noch heute ist die Weihnachtstradition aufs Engste mit den Bergleuten des Erzgebirges verbunden. Bei denen war die Sehnsucht nach dem Licht zur Winterszeit besonders groß. Kein Wunder mithin, daß dort die wunderbaren Schwibbbögen erfunden wurden, den viele vom Mundloch eines Stollens inspiriert sehen, für andere indes das Eingangstor zum Paradies symbolisiert. Interessantes Detail: Anfangs befand sich in deren Mitte nicht die Krippe mit dem Jesuskind, sondern Adam und Eva. Denn der 24. Dezember ist deren liturgischer Gedenktag. Und ursprünglich bestanden sie auch nicht aus Holz, sondern aus Metall – wie das älteste erhaltene Exemplar aus Johanngeorgenstadt.

Der älteste Schwibbogen aus dem Erzgebirge aus dem Jahr 1740…

…zeigt nicht die Krippe mit dem Jesuskind, sondern Adam und Eva.

Viele Pretiosen aus der Blütezeit des Bergbaus sind in dieser hervorragenden Ausstellung zu sehen – zu viele, um sie in diesem Blog im Detail zu beschreiben. Schlagen wir daher noch das dritte wichtige Kapitel der Bergmannshistorie auf, das nach dem Niedergang dieses Industriezweigs im 20. Jahrhunderts geschrieben wurde. Und das hat seine Wurzel im Kalten Krieg.

Nach dem Abwurf der Atombombe auf Hiroshima plagte die Sowjetunion die Angst, militärisch gegenüber den USA ins Hintertreffen zu geraten. Diktator Stalin ließ darauf vom Pazifik bis zum Harz nach Uran suchen – fündig wurde man im Erzgebirge! Binnen weniger Jahre lockte die Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft Wismut 150 000 Menschen in die Region – nicht zuletzt durch Sonderrationen  verbilligten Schnapses. „Kumpeltod“ wurde der aufgrund der Alkoholabhängkeit, in der viele aufgrund dieser Vergünstigung gerieten (eine 0,7-Liter-Flasche kostete nur 1,12 statt 14,50 Mark im herkömmlichen Handel), und der Häufung von Arbeitsunfällen genannt – und gab nun dieser ausgezeichneten Ausstellung mit den Namen.

Flucht aus dem tristen harten Arbeitsalltag unter Tage bot in der DDR verbilligter Schnaps – „Kumpeltod“ genannt.

In den ersten Jahren nach dem Kriege  fuhren die Kumpel in Ermangelung von Schutzhelmen zum Teil mit alten Wehrmactshelmen unter Tage, auch Frauen kamen im großen Stil zum Einsatz. Charlotte Prauße arbeitete sich etwa zur Steigerin und Revierleiterin hoch. Und Adolf Hennecke avancierte gar zum Nationalhelden der DDR, weil er im Karl-Liebknecht-Schacht im Lugau-Oelsnitzer Steinkohlerevier in einer Schicht 24,4 statt der laut Norm üblichen 6,3 Kubikmeter Kohle förderte. Die Kleidung, die er an diesem 13. Oktober 1948 trug wurde geradezu als Reliquie im Deutschen Historischen Museum in Berlin gezeigt. Und nun hier im Chemnitz.

Eine „Reliquie“ der DDR-Geschichte: die Arbeitskleidung Adolf Henneckes bei seiner Rekordschicht im Steinkohlebergwerk.

Der Bergbau in der DDR war quasi das dritte Berggeschrey im Erzgebirge. Wird es ein viertes geben? Wer weiß!?! Begehrte Metalle wie Lithium, Zink, Platin und Kupfer schlummern immer noch tief drinnen im Berge und wecken Gelüste und Hoffnungen auf der einen und Angst und Sorgen auf der anderen Seite. Am Ausgang können die Besucher übrigens ihre Meinung dazu kundtun. Bei meinem Besuch im Rahmen einer internationalen Pressereise Ende Oktober überwog erstaunlicherweise das Ja. Ob das so geblieben ist?

Spannende (und heiß umstrittene) Frage: Hat der Bergbau im Erzgebirge nicht nur eine Vergangenheit, sondern auch eine Zukunft?

WISSENSWERTES

Der faszinierenden Ausstellung „Silberglanz und Kumpeltod“  widmet sich auch diese Internetseite.

Detailinformationen zum Programm des Kulturhauptstadtjahres findet Ihr hier.

Infos über die Stadt Chemnitz und ihre Schönheiten hält Zwickau Tourist hier bereit.

Tipps für die ganze Region Chemnitz/Zwickau bekommt Ihr hier.

In Sachsen gibt es natürlich auch noch viele andere schöne Ecken – hier gibt es alle Details dazu.

Und hier die drei ersten Folgen meiner Eindrücke von der Kulturhauptstadtregion Chemnitz-Zwickau:

Chemnitz 2025 (1): Im Horch Museum

Chemnitz 2025 (2): Im Robert-Schumann-Haus

Chemnitz 2025 (3): Ein Blick ins Programm


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