Hochalpin ging es auf den ersten drei Etappen des Fernwanderwegs Vom Gletscher zum Wein, der auf zwei Routen (die eine im Süden, die andere im Norden) durch die wunderschöne Steiermark mit all ihrer landschaftlichen und kulturellen Vielfalt führt, zu. Zum Vergleich möchten wir nun auch drei der letzten Etappen der Nordroute wandern. Die verlaufen dann quasi „eine Etage tiefer“. Und dazu geht’s jetzt vom Westen in den Osten der Steiermark.

Mit dem Zug bis Weiz und später dem Bus kommen wir am frühen Nachmittag in Anger im Feistritztal an. Dadurch haben wir genügend Zeit, noch durch die kleine Marktgemeinde zu schlendern – und das lohnt sich auf jeden Fall! Entweder, wenn man die Etappe am Vortag abgeschlossen hat, oder am nächsten Morgen, bevor man die nächste in Angriff nimmt.

Ich gehe zunächst einmal zur Pfarrkirche in der Ortsmitte. Sie ist dem Heiligen Andreas geweiht und hat einen herrlichen Hochaltar, auf dem der Fresken- und Tafelmaler Joseph Adam Ritter von Mölck 1770 den Schutzpatron des Gotteshauses dargestellt hat. Aber man sollte sich hier auch einen Blick aufs Detail gönnen: Denn der vergoldete Figurenschmuck ist ebenfalls einer genaueren Betrachtung wert.

Der Hochaltar der Pfarrkirche von Anger in der Oststeiermark…

… ist überaus reich geschmückt.

Die Pracht des Barock spiegelt sich indes auch in der reich verzierten Kanzel wieder.

Ein Kunstwerk: der Altar der Andreaskirche in Anger.

Mich zieht indes besonders ein Tafelbild aus der Reformationszeit an: Es zeigt die Auferstehung. Ich recherchiere etwas näher über dieses Motiv und stelle fest, daß unter anderem mit diesem Bild der Grazer Stadtpfarrer Andreas Franck 1569 den ältesten bekannten steirischen Notendruck illustriert hat: die Gesangspostille. Das fast Sensationelle daran: Die Hälfte der Weisen sind bekannte protestantische Choräle! Ökumene also in einer Zeit, die eher dafür bekannt ist, daß man sich gegenseitig die Köpfe einschlug. Wahrlich erstaunlich und beeindruckend!

Das Tafelbild in der Pfarrkirche von Anger findet sich auch in der Gesangspostille aus dem 16. Jahrhundert wieder.

Hier der Auferstandene im Detail.

Das mächtige Tor auf der Nordseite des Kirchenareals  zieht mich irgendwie an, zumal ich bemerkt habe, daß über den Schwibbögen ein Gang die Kirche mit dem Nachbarhaus verbindet. Das muß also irgendetwas Besonderes sein.

Was hat es wohl mit diesem beeindruckenden Durchgang und der majestätischen Treppe auf sich?

In der Tat: Es ist ein so genanntes Freihaus. Was das sein soll? Im Mittelalter und der frühen Neuzeit bezeichnete man Gebäude, die zwar innerhalb der Stadtmauern lagen, deren Besitzern aber weder der Stadtrat noch die örtliche Gerichtsbarkeit etwas zu sagen hatten, so (oder auch als Freihof). Die müßten auch keine städtischen Steuern zahlen und auch keine Pflichten übernehmen.

Das galt in diesem Fall für die „Dienstmannen“ aus den Reihen der Familie Steinpeiss, die quasi den Landesherren hier vertraten (deswegen trägt das Gebäude auch den Namen Steinpaißhaus), Das heutige Aussehen geht freilich auf deren Nachfolger aus dem Adelsgeschlecht Teuffenbach zurück. Auch die Sgraffiti auf der dem Hauptplatz zugewandten Seite zeugt davon, daß dieses Anwesen früher eine herausragende Bedeutung hatte…

Eines der schönsten Gebäude in Anger. das Steinpaißhaus.

Bei meinem Spaziergang durch Anger habe ich aber noch eine andere Kirche etwas außerhalb des Ortskerns gesehen.. Also, auf geht’s zur Wallfahrtskirche zu den 14 Nothelfern! Ich habe Glück, denn sie ist geöffnet. Denn wie mir die Restauratorin, die ich bei ihrer Arbeit antreffe, erzählt, wird sie gerade als Begräbniskirche adaptiert. Denn am Friedhof liegt sie ja eh.

Ich bin begeistert von den alten Darstellungen der 14 Nothelfern und dem riesigen Gemälde, das den Ursprung der Wallfahrt hierher voller Dramatik beleuchtet.

Beeindruckend: das große Gemälde mit den 14 Nothelfern.

Der Engel erklärt den Ursprung der Wallfahrt.

Und hier das große Gemälde zum Ursprung der Wallfahrt.

Aber mindestens genauso schlägt mich der neue Volksaltar in den Bann, der erst sechs Tage später durch Pfarrer Anton Herk-Pickl eingeweiht werden sollte: Geschaffen wurde der vom Bildhauer Albert Schmuck, der im nahen Feistritz geboren wurde und auch heute noch ganz in der Nähe lebt. Die Seiten und dievPlatte oben schuf er aus einen Magnesitstein aus dem benachbarten Bergbau vom Rabenwald (dessen Schutzpatronin, die Heilige Barbara, zählt ja auch zu den 14 Nothelfern). Das Herzstück des Altars ist freilich eine farbig gestaltete Glasplatte, „welche ewiges Licht, dem wir alle entgegengehen, symbolisieren möge“, beschreibt es der Künstler selbst. Je nach Tageszeit und Lichteinfall strahlt sie eine stetig wechselnde, eigene, unverwechselbare Atmosphäre aus.

Einfach faszinierend: Albert Schmucks neuer Volksaltar.

Nun habe ich mich doch noch tatsächlich vertrödelt! Zu schön und eindrucksvoll war es einfach bei den 14 Nothelfern. Auch wenn ich mich in meinem Namenspatron in dieser Gruppe, dem Heiligen Georg, nicht so recht wieder erkenne. Der ist nämlich vornehmlich für Krieger, Reiter und Rösser zuständig. Und ich bin ja weder das eine noch das andere noch das letztere. Aber unter ferner liefen hat er dann doch noch eine Nebenaufgabe, die zu mir passt: Beschützer der Haustiere. Und als solcher bin ich dann ja Arco, unserem treuen vierbeinigen Gefährten, vielleicht doch ein ganz guter Begleiter.

Langsam knurrt mir der Magen. Leider hat unser Hotel, der Angerer-Hof, heute Ruhetag, was ich bedaure, denn beim Blick auf die Speisekarte dort regt sich bei mir der Appetit noch mehr.

Der Angerer-Hof hat heute leider Ruhetag.

Aber hier im Feistritztal hilft man sich gegenseitig. Und so schickt uns die freundliche Rezeptionistin zurück in die Ortsmitte – zum Wirtshaus, Restaurant und Posthotel Thaller. Als ich sehe, daß es sich hier um ein Drei-Hauben-Lokal handelt, zögere ich einen Moment: Ob das nicht ein zu tiefes Loch in meinen Geldbeutel reißen wird? Doch als ich sehe, daß eine Gruppe Einheimischer auf der Terrasse lustig beieinander sitzt und Karten spielt, relativiert sich das schnell wieder.

Das Preis-Leistungs-Verhältnis beim „Luis“ (wie das Spitzenrestaurant heißt) ist gerade bei den bodenständigen Gerichten, für die wir uns hier an unserem ersten Tag in der Oststeiermark natürlich besonders interessieren, außergewöhnlich gut: Christines Steirischer Fischsalat  (Süßwasserfisch an Salatmix mit Kernöl und Kürbiskernen) kostet 18,90 Euro. Ich bin ganz mutig und entscheide mich für die gebackene Blunzn (wie die Blutwurst hierzulande heißt) mit Kartoffel-Blattsalat für 14,90 Euro – und bereue dieses Geschmacks-Abenteuer keineswegs, nachdem ich meine Blunzn-Premiere gefeiert habe. Eine solche Qualität in einer solchen Menge – das findet man fürwahr nicht mehr alle Tage und allerorten. Auch der Hauswein bewegt sich in einem Preisrahmen, den man nur als okay bezeichnen kann. Und so beträgt unsere Zeche nicht mal 50 Euro, als wir unseren Rückweg antreten. Mithin: absolute Bestnote für den Luis (der darüber hinaus natürlich eine exquisite Feinschmeckerküche anzubieten hat).

Christine ist begeistert vom Steirischen Fischsalat…

... und die Steirische Blunzn hat im mir einen neuen Fan gewonnen.

Der erste Eindruck von der Oststeiermark? Einfach prima! Der Ruhetag hat uns gut getan. Und so freuen wir uns schon drauf, dass es morgen auf unserem Weg Vom Gletscher zum Wein geht. Allerdings erstmal durch Apfelland

Informationen zur Region gibt es hier:

www.oststeiermark.com

www.steiermark.com

Und hier die ersten drei Folgen meiner Serie über den Wanderweg vom Gletscher zum Wein:

Vom Gletscher zum Wein (1): Dachsteingletscher – Guttenberghaus

Vom Gletscher zum Wein (2): Guttenberghaus – Stoderhütte

Vom Gletscher zum Wein (3): Stoderhütte – Bad Mitterndorf