Bei wohl jeder Fernwanderung ist mal ein mieser Tag dabei. Bei unserer Tour über die Peaks of the Balkans hat es uns auf der neunten Etappe von Plav nach Vusanje erwischt.
Unser Gastgeber in Plav (ich nehme mal an, er heißt Erdan wie sein Guesthouse) ist Friseur von Beruf. Deswegen muss er seinen Barber-Salon um 8.30 Uhr aufsperren. Was wiederum heißt, daß er uns mit seinem 19 Jahre alten VW Passat schon um 8 Uhr die 300 Höhenmeter bis zum Einstieg in unsere heutige Etappe bringen muß.
Für uns gar nicht schlecht, denn so kommen wir bald los. Was auch wichtig ist, denn die Wettervorhersage ist nicht gerade glänzend. Und daher hat Emiliy, unsere australische Freundin, auch beschlossen, auf dem Campingplatz in Plav zu bleiben, wo sie wohl in einem Wohnwagen Platz gefunden hat. Nur 1 Euro teurer ist der Van als der Stellplatz für ihr Zelt, das sie dadurch nicht aufstellen muß.
Als er uns am Abzweig des Wanderweges absetzt, wartet eine Überraschung: Dort steht ein Ranger und erhebt eine Gebühr von 3 Euro pro Person (pro Hund nix). Denn wir sind jetzt in einem (montenegrinischen) Nationalpark.
Völlig ok. Auch wenn ich bisher von einem Overtourism nichts gespürt habe und wir die Tage zuvor im selben Nationalpark Prokletije nichts bezahlen mussten. Aber egal – berechtigt ist das schon…
Schön wäre es freilich auch gewesen, wenn wir auch richtig etwas davon gehabt hätten. Zunächst geht es nämlich durch dichten Wald, der kaum eine Aussicht zuläßt. Dann folgt auf mittlerer Ebene eine fantastische Blumenwiese mit einem ganzen Feld von Orchiodeen, wie ich es noch nie in meinem Leben gesehen habe.
Schon balöen sich schwarze Wolken am Himmel, wie bei Schwüle üblivch, wird mir bang ums Herz, als wir die Direttissima weiter bergauf schreiten – und dann ist es tatsächlich soweit: Ein Gewitter bricht herein.
Gottseidank sind wir mitten im Wald und haben unsere Regenkleidung rechtzeitig angelegt. Und so harren wir unter einen mächtigen Kiefer aus, bis der Regen aufhört. Voller Gottvertrauen schlafe ich sogar während des Gewitters zu einem kurzen Power-Napping ein.
Und Power brauche ich auch für den nächsten Abschnitt: Der Bajrak ist zwar nur 2044 Meter hoch, aber vor allem bei diesem Wetter wahrlich nicht ohne. Von der in Alpenvereinaktiv versprochenen „gigantischen Aussicht“ bekommen wir (genau gesagt) gar nix mit. Denn eine dichte Nebensuppe umhüllt uns – und das bleibt auch auf dem Kammweg über das Gipfelplateau des Bora weiter so.
Wie herrlich es doch gewesen wäre, hier etwas zu sehen! Es bleibt uns indes versagt…
Die Abzweigung hinter naxch Vusanje ist miserabel (oder besser gesagt: gar nicht) ausgeschildert. Nur der Warnung eines Hirten, der uns von weiter oben enegerisch zuruft, ist es zu verdanken, daß wir uns nicht heillos verlaufen. Also gut aufpassen, wenn sich der Weg zu senken beginnt: Die von weitem zu sehende Markierung an einem Felsen ist FALSCH! Der richtige Weg zweigt über die Wiese scharf nach rechts ab.
Apropos Hirten: Nach kurzem finden wir uns mitten in einer Schaftherde wieder – und zwei mächtige Hunde stürmen sofort auf uns zu. Während sich das Weible relativ neutral verhält, let das „Männle“ seine Macho-Ambitionen relativ ausgeprägt gegenüber Arco, unserem treuen vierbeinigen Begleiter, aus. Ich bewundere den Hirten, der uns nach seiner Frage „Deutschland?“ und meinem heftigen Kopfnicken in großer Freundlichkeit so sicher durch seine Herde lotst. Einfach Klasse!
„Das Schlimmste ist überstanden“, denken wir. Und von der Hundegefahr her stimmt das ja auch. Aber immer wieder setzt der Regen ein, und die letzten Höhenmeter bergab scheinen sich endlos zu ziehen. Als wir die ersten Häuser sehen, geht es mit dem Landregen dann so richtig los, und nirgendwo ist unser Guesthouse, das Blue Eye, ausgeschildert.
Endlich finden wir jemand, der sich im Regen noch vor seinem Haus aufhält. Er hat selbst ein Restaurant, sagt aber spontan, er fahre uns zu unserem Quartier, das ewig weit entfernt zu sein scheint – wenn wir all das auch noch bei diesem Sauwetter hätten laufen müssen…
Aber gottlob sind wir jetzt da, werden im Blue Eye in Vusanje, herzlich willkommen geheißen und bekommen noch ein köstliches vegetarisches Abendessen: Bohnen und Rosenkohl in Sahne-Käse-Sauce).
Hundemüde sinken wir ins Bett und schlafen hervorragend. Morgen sid wieder Gewitter angesagt. So was wie heute möchten wir nicht nochmal erleben. Von der nächsten Etappe ist uns nämlich intensiv vorgeschwärmt worden. Da möchten wir dann doch auch noch etwas davon sehen, statt bestenfalls im Nebel herum zu irren.
Alsdann: Nochmal ein Ruhetag. Denn schließlich ist dann Sonntag…
Gegangen am 1. Juli 2023
Länge: 18 km
Dauer: 7,5 Stunden
Höhenunterschied: 800 Höhenmeter auf, 1050 ab
höchster Punkt: 2095 Meter
tiefster Punkt: 1000 Meter.
Zum Link von Alpenvereinaktiv: klickt hier!
Und hier die bisherigen Folgen meiner Serie über die Peaks of the Balkans: