Der Ruhetag im Guri i Kuq hat gut getan. Voller Tatendrang geht‘s weiter auf unserer Tour über die Peaks of the Balkans – vom Kosovo nach Montenegro.
„Would you mind, if i go a little while with you?“: Emily, 21-jährige studierte Politologin und Kriminologin aus der Nähe von Melbourne, ist es, die uns das fragt, nachdem wir unser herrliches Frühstück genossen haben uns von unserem tollen Quartier, dem Hotel Guri i Kuq hoch überm kosovarischen Rugova-Tal, verabschieden.
Natürlich haben wir nichts dagegen, freuen uns über die Begleitung und staunen über den riesigen Rucksack, den die junge Frau da mit sich rumschleppt.
Sie hat genau wie wir einen Ruhetag eingelegt, und das hat offensichtlich uns allen gutgetan. So nehmen wir die ersten Höhenmeter zügig und sind schon bald an den beiden Bergseen Kuqishte und Drelajve. Zwischen den beiden hat sich ein im Burgenland wohnender Kosovare eine tolle Hütte mit Grasdach gebaut – eine Woche spannt er hier mit Freunden aus, dann geht es wieder zur Arbeit in die neue Heimat…
“Da oben ist unser Peak für heute“, sage ich kurz darauf zu meinen beiden Mitwanderinnen – und täusche mit gewaltig! Es ist wieder eine jener gemeinen Stellen in den Bergen, wie wir sie auch auf der Grande Traversata Delle Alpi (GTA) in Piemont zuhauf erlebt haben: Man glaubt, schon oben zu sein – und steht dann doch nur wieder vor der nächsten Wand. Und so ergeht es uns heute gleich zweimal hintereinander…
Auf etwa 2025 Metern zeigt sich am Pusi i Plaves dann wieder die große Schwäche der Peaks of the Balkans: die oft (und gerade an Schlüsselstellen) unzureichende Markierung. Hier werden wir sogar von einem etwa 100 Meter entfernten Holzschild in die Irre (das heißt geradeaus) geführt.
Also gut aufpassen – und dem GELBEN Wegweiser (auf dem blöderweise das heutige Etappenziel Babino Polje gar nicht aufgeführt ist) nach rechts zum Jelenkut-Pass folgen! Mit seinen 2255 Metern ist der so hoch wie die höchsten Gipfel im Tannheimer Tal. Die ersten 800 Höhenmeter haben wir also schon geschafft – und oben auf dem Grat den Kosovo hinter uns gelassen. Was mir schon ein bißle leid tut, denn dieses junge Land ist mir in den letzten Tagen durchaus ans Herz gewachsen.
Aber auch Montenegro ist mit der grandiosen Landschaft vor uns durchaus verlockend. Und so genießen wir nun für die nächsten Kilometer die Grat- und auch die Grenzwanderung auf dem Kamm, den hie wie dort wunderschöne Blumen zieren.
Wir kosten den im Vergleich zum ersten Anstieg relativ ebenen Weg zum Zavoje-Sattel, wo sich mehrere Wanderwege treffen, so richtig aus. Den Rastplatz hier empfinden wir als Impuls und ruhen uns erst einmal aus – Christine und Emily im Gras und ich auf der Bank.
Der Abstieg hinunter ins Tal ist sowohl für die Füße wie für die Augen ein Hochgenuss. Ich schwärme von den Grün-Braun-Schattierungen der Wiesen ringsum. Allerdings wartet auf knapp unter 2000 Metern schon wieder der nächste Knackpunkt: Der Abzweig zum steilen Weg hinunter ins Tal ist wieder mal kaum zu erkennen (wir haben ihn erst im Rück-Blick entdeckt), doch diesmal wäre ein Fehler nicht gar so wild: Der Weg geradeaus führt letztlich auch ins Tal – auch wenn es etwas länger dauern würde.
Ein schmaler Wiesenweg führt uns kurz darauf noch schneller ins Tal als die offizielle Strecke, und auf der Fahrstraße zum Quartier halten mehrere Autos an und heißen uns in Babino Polje willkommen. Auch die Montenegriner sind also offensichtlich sehr freundliche Leute.
Für unsere Gastgeber im Eko Katun Hako gilt das allemal. Bachta, die Frau des Hauses, bereitet köstlichen Börek für 7ns zu, Großvater lädt uns zum Pflaumen-Raki ein.
In unserem kleinen Steinhäuschen schlafen wir prima, die Kälte halten wir mit zwei Decken ab uns aus. Hier ist alles noch im halbfertigen Zustand, Herd und provisorischer Backofen stehen im Rohbau des Restaurants, das im Entstehen begriffen ist, und vielleicht 2024 oder 2025 fertig ist.
Aber wir sind sehr beeindruckt von dem Fleiß, mit dem die ganze Familie hier mit ihrer eigenen Hände Arbeit ihren Traum verwirklichen will. Respekt! Und viel Erfolg! Denn dieses Quartier ist wirklich zu empfehlen.
Gegangen am 29. Juni 2023
Länge: 15 km
Dauer: 7 Stunden
Höhenunterschied: 1078 m hoch, 960 ab
höchster Punkt: 2257 Meter
tiefster Punkt: 1408 Meter
Zum Link zu Alpenvereinaktiv: klickt hier!
Und hier die bisherigen Folgen meiner Serie über die Peaks of the Balkans: