Eher kurz war unsere zweite Tagesetappe auf unserer Wanderung über die Peaks of the Balkans. Der heutige Weg nach Doberdol fordert uns schon mehr.
Auch im Gästehaus Kujtim Gocaj, wo wir die Nacht verbracht hatten, war das Abendessen wieder ganz hervorrragend – und das Frühstück steht ihm in nichts nach.. Daher kommen wir mit etwas Verspätung los. Kujtim schickt uns gleich an seinem Domizil bergauf. Bald grüßt uns die erste Schafherde, und es wird uns etwas mulmig, weil man uns vor den aggressiven Hütehunden gewarnt hat – wie sich später zeigen sollte zurecht. Aber hier ist alles friedlich, und es geht gut.
Erst nach rund 100 Höhenmeter realisieren wir: Wir gehen gar nicht die eigentliche Route, sondern eine Straße (oder besser gesagt: Piste), was insbesondere Christine frustet, die solchen Untergrund gar und gar nicht mag.
So entscheiden wir uns, die erste Gelegenheit zu nutzen und über eine Quer-Piste zum eigentlichen Weg zu wechseln. Dadurch verlieren wir zwar wieder ein paar Höhenmeter, kommen aber zu einer wunderbaren Bergwiese, angesichts deren Pracht einem schier die Augen übergehen. Der Abstecher hat sich wahrlich gelohnt, und so fällt der Aufstieg durch das Blumenspalier wirklich leicht.
Doch gleichzeitig droht auch ein Unheil: Von einer Minute auf die andere ballen sich dunkle Wolken zusammen, und bergauf rennend erreichen wir schon im Regen eine Hirten-Hütte, unter deren Vordach wir uns unterstellen und die Regensachen anziehen können.
Nach einer Viertelstunde rennt dann ein Mann aus einem Bretterverschlag, der sich kurze Zeit später als eine Art Bar entpuppt, mit eine Sonnenschirm zu und eskortiert uns nach oben in sein Etablissement.
Dort finden ein Viertelstündchen später noch vier andere Asyl, die uns in den nächsten Tagen zu treuen und überaus netten Begleitern werden: Paul, ein Ski-Slope-Designer aus Graz, und die „Camino-Girls“ Marita, Marina und Caro suchen hier auch Zuflucht.
Nach insgesamt einer Stunde ist der Thunderstorm vorbei. Der war nicht ohne – aber schon bald darauf zeigt sich die Sonne wieder, und wir können frohen Mutes weiterschreiten.
Heute geht es mehrmals über die Grenze zwischen Albanien und Montenegro, aber ich bemerke sie kein einziges Mal, kann allenfalls vermuten, daß es sich bei einem demolierten Betonstein, an dem oben noch eine Kerbe sichtbar ist, um eine gehandelt hatte.
Durch einen idyllischen Wald erreichen wir eine Wiese. ein verlockender Platz um die schon lange geplante Pause zu machen. Aber dann ziehen wir doch weiter, denn erneut ziehen Wolken auf. Der Weg durch den anschließenden Wald bietet Idylle pur, und an dessen Rand läßt es sich kurze Zeit später dann doch gut rasten.
Oben auf der Höhe sind die Markierungen ziemlich irreführend. Die Mountanbikestrecke nach Doberdol (offensichtlich ein alter Grenzpatrouillenweg) ist ausgeschildert – und fast wäre ich der Auskunft zweier Einheimischer gefolgt und dort weitergelaufen. Dank GPS und Alpenvereinaktiv entdecken wir dann aber doch die korrekte Route, die uns vor weiteren endlosen Kilometern auf einer Schotterpiste bewahrt.
Die Strecke zieht sich auch so schon gewaltig, und die Wandergruppe aus Estland, die wir in Kujtim Gocajs Guesthouse getroffen haben, stärkt sich auf der Terrasse des herrlich liegenden Gästehauses in der Hirtensiedlung Balqin mit einer (wie sie schwärmen) ganz hervorragenden Tomaten-Käse-Suppe. Wir versagen uns das, weil es doch noch ein Stückchen ist und uns Alpenvereinaktiv in seiner textlichen Wegbeschreibung prophezeit hat, dass noch eine „gemeine“ Steigung auf uns wartet.
Nachdem ich einen Feuersalamander bestaunt habe, der sich über den nassen Weg ins Gras verabschiedet, nehmen wir also das letzte Teilstück in Angriff. Und Alpenvereinaktiv hat nicht übertrieben.
Man kann Doberdol zwar schon in der Ferne sehen, aber zunächst müssen wir runter und dann wieder rauf – und zwar gewaltig steil. Nach vielen Stunden Wanderung schon eine Herausforderung zum Schluss. Aber wir erreichen unser Ziel am Dreiländereck Albanien/Kosovo/Montenegro immerhin noch im Sonnenschein.
„Einfach, aber ehrlich“, hat der Alpenverein unser Guesthouse Peaks of the Balkans von Bilbil Vatnica in Doberdol beschrieben. Dessen Namen finden wir zwar nirgends, aber erkennen es etwas weiter oben in der Siedlung an der in der Alpenvereins-App angegebenen Holzbrücke über einen Wasserfall, die wir nach links überschreiten. Auf ihr kann man übrigens sogar sitzen und eine Idylle in ganz besonderem Ambiente machen.
Der Einschätzung „Einfach, aber ehrlich“ vermag man übrigens ohne Abstriche zuzustimmen: Wir schlafen in einem Bretterverschlag, die Dusche ist ebenfalls eine Holzbude über einer Bodenplatte aus Beton.
Ich witzele, daß vielleicht in Tirol nur noch derartige Chalets genehmigt werden sollten, um dem Wildwuchs des Luxus ein Ende zu bereiten…
Aber das von der Mutter des Wirtes zubereitete Essen, das wir mir drei Skibergführern aus Montenegro einnehmen, die hier eine neue Mehrtagestour für den Winter auskundschaften wollen, ist ganz hervorragend – und so schlafen wir auch in unserer Bude…
Gegangen am 24. Juni 2023
Länge: 15 Kilometer
Dauer: 7 Stunden (mit Pausen)
Höhenunterschied: 1000 Meter auf, 370 Meter ab
Höchster Punkt: 1924Meter
Tiefster Punkt: 1200 Meter
Für den Link zu Alpenvereinaktiv: klickt hier!
Und hier die bisherigen fünf Folgen meiner Serie über die Peaks of the Balkans: