Der Samstagabend in einer kleinen spanischen Dorfkneipe – das ist auch auf einer Pilgerschaft auf der Via de la Plata ein tolles Erlebnis. Und das konnte wir als Schlusspunkt unserer Etappe nach Riolobos erleben.
Nach der erschöpfenden „Königsetappe“ von Casar de Caceres nach Canaveral tricksen wir heute ein bißle. Von unserem Übernachtungsquartier im Hostal Canaveral lassen wir uns von der Taxifahrerin gleich gegenüber 12 Kilometer bis hinter Grimaldo bringen, und wir nehmen auch nicht den ganzen Weg bis Galisteo auf uns, sondern buchen in Riolobos gleich zwei Nächte. Erstens sind wir ziemlich geschafft, und zweitens und muß Christine noch die neue Folge ihrer Klimaserie in der Ausgabe Reutte der Oberländer Rundschau recherchieren und schreiben.
Aller Erschöpfung zum Trotz: Die Landschaft begeistert uns heute von Beginn an. Zunächst geht es durch eine wunderbare Dehesa mit vielen gemütlich weidenden Tieren, dann über einen schmalen Pfad hinunter in eine Senke – und plötzlich werde ich an meinen von mir als Kind und Pubertierender geliebten Karl May erinnert:Das Skelett am Wegesrand könnte glatt vom Rio de la Plata stammen, wo der Gute ja auf die Suche nach einem Inka-Schatz ging. Zumal sich uns ein gebürtiger Belgier, den wir schon am Tag zuvor getroffen hatten, der in Spanien lebt und dabei mehr oder minder mit seinem Van herumvagabundiert, als „Birdwatcher“ respektive Guide zu erkennen gibt und sagt, er habe hier schon einige Geier gesehen.
Arco ist auf jeden Fall begeistert und übernimmt deren „Restarbeit“: Er nagt die letzten Reste am skelettierten Bein eines Tieres, hinter dem wir eine Hirschkuh vermuten, gemütlich ab – inclusive Fell…
Die Etappe vom Vortag hängt uns schon noch in den Knochen (respektive den Muskeln), so daß wir uns kurze Zeit später ins Gras legen. Aber als mir der Wind schon nach wenigen Minuten meinen orangenen Hut, der zu meinem Markenzeichen während dieser Tour geworden ist, vom Kopf bläst, wird unmißverständlich deutlich: Endlos trödeln dürfen wir auch heute nicht. Also: Vamos!
Wir nehmen den Abzweig von der Hauptroute nach links: Denn dort liegt unser heutiges Ziel. Und als „Begrüßungskommando“ steht gleich ein schwarzes Pferd parat. Wir beide sind uns sofort sympathisch, ich unterhalte mich bestens mit ihm, es zeigt mir seine Zuneigung – und da muß ich natürlich unbedingt ein Video drehen.
Ich freue mich von Herzen über diese tolle Kommunikation. Aber irgendwann muß eben geschieden sein, zumal der Wind immer heftiger bläst. Und mir wird wieder der Musikunterricht am altehrwürdigen Parler-Gymnasium zu Schwäbisch Gmünd präsent: „Heio, spann den Wagen an! Sieht der Wind treibt Regen über Land! Hol die gold’nen Garben!“, mußten wir da immer wieder singen. Als Kanon. Non scolae, de vitae discimus? Naja, zumindest ist mir dieses Lied in Erinnerung geblieben.
„Nur noch diese Steigung“, denk ich mir, als es dann doch mal ziemlich zackig nach oben geht. Aber die vermeintlich letztre entpuppt sich dann mindestens drittletzte, denn die landwirtschaftliche Piste, die hier bolzgerade verläuft, muß eine um die andere „Welle“ überwinden.
Aber dann sind wir doch drunten im Tal. Die Bar „La Pista“, in die wir eigentlich wollten, hat leider geschlossen – wie so viele(s) andere in diesem kleinen Dorf auch. Unsere Quartier Abuela Maxi („Oma Maxi)“ ist in einem typischen kleinen Dorfhaus. Und nachdem wir auch begriffen haben, wie die Heizung funktioniert, auch richtig gemütlich.
Wir ruhen etwas aus, kriegen Hunger, gehen ins Dorf in die Bar Arcoiris in der Nähe der Kirche und müssen dort die Erfahrung machen, daß die Spanier viel später essen als wir. Um 6 ist noch nichts drin, „erst um 8“, wird uns bedeutet. Also überbrücken ewir die Zeit mit Vino Tinto beziehungsweise Tinto con lemon. Und auf dem riesigen TV-Schirm, der auch hier hängt und auf den auch hier im Grunde keiner schaut, läuft ja immerhin die erste spanische Fußballliga: Real Osasuna gegen CD Levante. Am Ende übrigens 3:1. Zwar völlig unwichtig, aber es macht trotzdem Spaß – vielleicht gerade deswegen, weil hier „nur“ der 10. gegen den 20. spielt.
Kurz nach 7 gibt der Wirt dann doch grünes Licht für die Bestellung. Christine wählt Hähnchenbrust mit Pommes, ich eine Tortilla Francesa. Aber entgegen meiner Erwartung ist das keine Karetoffeltorte, sondern ein Omelett. Eigentlich nicht mein Ding, aber letztlich doch ganz genießbar.
Gegen 8 Uhr füllt sich dann die Kneipe, und wir bekommen eine Gratisvorstellung voll pulsierendem spanischen Samstagabendleben. Ganze Familien kommen, drei Generationen im fröhlichen Miteinander, es wird getrunken, geschrien und gelacht, einer der Senhores posiert als Torero und macht dann auch noch ein schönes Foto von uns beiden.
Ich muß an Egon Erwin Kisch denken, der aus dieser halben Stunde Alltag gewiß eine ganze Reportage gezaubert hätte. Ja, es sind die kleinen Dinge, die das Leben widerspiegeln.
Erlebt am 19. März 2022
Notiert am 24. März 2022
Statistik:
Länge: 11,5 Kilometer
Dauer: etwa vier Stunden
Höhenunterschiede: 25 Meter auf, 235 Meter ab
höchster Punkt: 474 Meter
niedrigster Punkt: 267 Meter
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