Eine Pilgerwanderung ist lang. Und da versteht es sich quasi von selbst, dass nicht immer eitel Sonnenschein herrschen kann. Wie zum Beispiel jetzt beim Start in Alcuescar.

Für heute, den 14. März 2022, ist Regen angesagt – und es nieselt tatsächlich, als wir unser gemütliches Quartier bei Maria im Casa Grande de Extremadura verlassen. Nach einigem Hin und Her (sowohl, was die Entscheidung als auch, was die Orientierung anbelangt) finden wir doch noch ein Churreria, und bei der dortigen Maria und ihrem Gatten trifft sich offenkundig das ganze Dorf zum Frühstück.

Frühstücksfreuden in der Churreria da Maria.

Der typisch spanische Kneipenlärm stört mich nicht im mindesten, denn wir sind mittendrin, nicht nur dabei: Überall freundliche Gesichter, die Churros, das berühmt-fettige Spritzgebäck, schmecken mir prima, obwohl (oder weil?) es ja höchst ungesund sein sollen. Aber sie geben auch Energie.

Schnell sind wir zu viert (mit Torsten „ohne H“ und Manuela, von denen ob meines Handy-Malheurs mit dem abgerissenen Ladekabel alle Bilder in dieser Blog-Folge stammen) aus der Stadt, und ich bewundere die Olivenplantagen, unter denen Frühlingsblumen blühen und ein Bild zaubern, als ob es ein französischer Impressionist oder Pointillist gemalt hätte.

Wie von Pointillisten gemalt: die Wiesen unter den Olivenbäumen.

Der Regen hat es sich nun doch anders überlegt und bleibt am Himmel, und so stören nicht mal die grauen Wolken die Wanderfreuden. Wir schmunzeln, als wir bei den Casas de Don Antonio einen Sündenpfuhl entdecken – indes scheint das Pecado („Sünde“) schon bessere Tage gesehen zu haben. Sinnigerweise befindet sich direkt daneben die Residencia Mayor, das örtliche Altersheim!

Weiter geht es nun auf einem Originalstück der alten Römerstraße. Sogar der eine oder andere Meilenstein ist da stehen geblieben. In einem davon wurde eine große Öffnung geschlagen, denn er diente lange Zeit als Briefkasten eines nahen Landgutes. Dort treffen wir Viktor, einen jungen Frankfurter, der im Alter von sechs Jahren aus Kasachstan nach Deutschland und nun schon den zweiten Jakobsweg nach dem Camino Frances läuft. Und zwar in atemberaubender Geschwindigkeit. 40 Kilometer am Tag sind für ihn offensichtlich kein Problem – aber ob er wirklich etwas von seiner Pilgerschaft mitbekommt? Ohne uns hätte er den Meilenstein-Briefkasten glatt übersehen, und auch über die faszinierende alte Römerbrücke von von Santiago de Bencaliz stürmt er nur so hinweg.

Gruppenbild mit römischem Meilenstein (respektive mittelalterlichem Briefkasten) plus „Roadrunner“ Viktor (links unten).

Wir machen hier, noch eine Pause, und ich denke an unseren Ex-Kanzler Helmut und seine Begeisterung für den „Hauch der Geschichte“- Und den glaube ich jetzt auch zu spüren: Rund 2000 Jahre hat das Ding jetzt gehalten. Und es ist so in Schuss, als wäre gerade eben der letzte Legionär drübergeschritten. Alle Achtung!

Eine (römische) Brücke, eine Brücke! Ein Hauch der Geschichte umweht uns…

Nach Aldea del Cano, unserem heutigen Etappenziel, ist es dann nur noch ein Katzensprung.Heute kommen wir mal frühzeitig an, so daß ich im Casa Rural Via de la Plata kann ich mich tatsächlich noch hinsetzen, um die vergangenen Tage nochmal schriftlich passieren zu lassen. Aber wir haben so viel erlebt, daß ich immer noch um mehr als einen Tag hinterherhinke.

Ein tolles Quartier: das Casa Rural Via de la Plata in Aldea del Cano – und „Herbergsmutter“ Teresa kocht ganz wunderbar!

Und ich gerate dann während der nächsten Etappen sogar noch mehr in Verzug. Auch diese Passage hier notiere ich mit sechstägiger Verspätung in mein Tagebuch, aber das Abendessen, das uns Herbergsmutter Teresa zubereitet, ist mir dennoch in lebhafter Erinnerung: Die einen schwärmen von den Hühnerschlegeln, die anderen (inclusive mir) von den Albondingas, einer spanischen Variante der Brätknödel.

Wir haben eine schöne Gemeinschaft am Tisch. Außer Manuela und Torsten sind noch Hanna und Benno, zwei Theologen aus dem Allgäu mit am Tisch. Wir führen tiefgehende Gespräche: über den Sinn des Pilgerns (und dadurch mittelbar auch über den Sinn des Lebens), über unerklärliche Erlebnisse, über die richtigen Fragen zur richtigen Zeit, über geplatzte Träume, die einen gerade durch das Scheitern vor schlimmen Situationen bewahrt haben. Buchstäblich über Gott und die Welt eben.

Details wären an dieser Stelle nicht angebracht, das wäre dann doch zu persönlich (auch wenn wohl jeder in seinem Leben mit diesen Themen schon zu tun hatte oder noch zu tun bekommen wird). Aber eins ist klar: Diese Fragen und so manche Antwort begleiten uns noch lange auf unserem Weg durch die Extremadura. Und auf dem Weg durch unser Leben.

erlebt am 14. März 2022

notiert am 19. und 20. März 2022

Statistik:

Länge: 16 km
Dauer: 4,5 Stunden
Anstieg: 10Höhenmeter
Abstieg: 107 Höhenmeter
höchster Punkt: 481 Meter
tiefster Punkt: 374 Meter

direkter Link zu Alpenverein aktiv hier.

Buchtipp: https://www.amazon.de/Spanien-Jakobsweg-Plata-Mozarabischer-OutdoorHandbuch/dp/386686440X/ref=sr_1_1?crid=3TY0F90UFT5TB&keywords=Raimund+Joos+Via+de+la+Plata&qid=1650636123&s=books&sprefix=raimund+joos+via+de+la+plata%2Cstripbooks%2C80&sr=1-1

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