Wie gut, daß es doch die guten alten Notizbücher gibt. So können wunderschöne Erinnerungen wieder wach werden – wie an unsere herrliche Wanderung auf der Grande Traversata delle Alpi (GTA) durch Piemont im Sommer 2012. Dieser Tagebucheintrag stammt zum Beispiel vom 17. Juli.
Mit dem Zahnfleisch hab ich ja so meine Schwierigkeiten – und bei dieser Etappe bin ich auch auf selbigem dahergekommen. Dabei hatte alles so gut begonnen.
Am Morgen hatten wir uns nach langem Hin und Her für eine Variante der GTA entschieden. Drei kurze Steigungen sind wir heute lieber als eine lange plus riesigem Abstieg.
Und dabei werden wir durch eine herrlich blühende Landschaft bestätigt und belohnt – und genießen den fantastischen Blick von der Pian Radice auf die Hochebene mit dem Santuario des Heiligen Chiafreddo. Der sagt mir nix, da muß ich unbedingt nochmal im Internet recherchieren. Hier die Ergebnisse: https://en.wikipedia.org/wiki/Chiaffredo.
Es geht weiter voran, die Steigung zur Punta Forcion (2387 Meter) meistern wir ohne Probleme. Dann kommt aber auf dem Weg bergab zum Skilift ein blödes Geröllfeld. So was mag ich ja gar nicht.
Prompt verlieren wir den richtigen Weg: Mühsam schlagen wir uns durch das steinerne Meer, bis wir dann endlich wieder auf die rot-weiße Markierung stoßen. Fast senkrecht geht es nun in die Höhe, und ich wundere mich, warum ich in Panik gerate, wenn ich ein paar Meter auf ein Hausdach muß. Hier ist es viel steiler und viel länger. Und komischerweise macht mir das jetzt nix aus.
Ich will Christine schon den „Gipfel-Sieg“ verkünden, doch als ich unterhalb eines großen Felsens, den ich für den Gipfel gehalten habe, auf den Höhenmesser schaue, merke ich, daß nicht sein kann. Nochmals 150 Meter hoch – aber dann ist es geschafft. Wir jausen, schlafen ein bißle, Christine macht Yoga – und wir vertrödeln mal wieder die Zeit.
„Hätten wir besser nicht gemacht“, denke ich, als die Markierung immer schlechter wird und wir zunächst den Weg zum Lago Chiaretto partout nicht finden wollen. Dann klappt es doch, aber ein brutales Blockschutt-Meer hält meine Wanderfreude in eher engen Grenzen. Meine Hoffnung, daß ab dem herrlichen See ein gemütlicher Muli-Weg hinunter ins Tal führt, hat mich zudem getäuscht.
Wieder geht es über Stock und Stein, und als sich auch noch Knie und Sohlen bemerkbar machen, wird der Frust immer größer. Zudem hab ich wieder zu wenig getrunken – und weit und breit ist keine Quelle in Sicht. Erst in der Nähe des Lago Fiorenza entdeckt Christine eine und füllt gottseidank die Flasche auf. Dann muß ich nochmal brutal steil runter zur Quelle des Po. Die paar Meter kommen mir endlos lang vor.
Wir setzen uns nur kurz nieder, Christine füllt die Flasche mit dem angeblich „heiligen“ Wasser auf, ich schieße ein Beweisfoto und blicke auf die Pian del Re, wo der Lega-Nord-Chef Umberto Bossi (er ist mittlerweile freilich auch schon Geschichte) immder seine Unabhängigkeitsfeiern für die Republik Padania zelebriert hat. Nun ist er ja außer Gefecht, weil er Millionen an Schwarzgeld in die Schweiz geschmuggelt hatte.
Christine hat dieselbe Idee, die mir auch schon durch den Kopf gegangen ist: Die restliche Strecke für heute können wir auch mit dem Auto fahren. Sie organisiert blitzschnell einen Fiat Panda, dessen Fahrer, ein rüstiger Rentner, früher Hüttenwirt auf dem Rifugio Alpetto war, gerade von der Punta Roma kommt und bereits 15 Mal den Monviso bestiegen hat.
Schnell sind wir in der Locanda Pian della Regina, in der wir ein Piemonteser Abendessen mit gewaltigen Vorspeisen genießen, wie es ganz nach dem Geschmack meines leider schon ein Dutzend Jahre zuvor verstorbenen Vati gewesen wäre.
Ich proste ihm mit einem Glas Barbera innerlich zu – und freue mich dann doch noch des Tages und des Lebens.
Gegangen: Dienstag, 17. Juli 2012
gut 9 km
500 Meter auf, 700 Meter ab
Start: 9.30 Uhr
Ziel: 18.30 Uhr