Nun wird es langsam doch ernst: zum ersten Mal spüren wir die Einschränkungen durch die Corona Krise wirklich deutlich.
Heute, am 20. März 2020 hat uns das freundliche Personal auf dem Campingplatz El Bahira in San Vito Lo Capo zum ersten Mal dringend davon abgeraten, selbst zum Einkaufen ins Dorf zu gehen.
Das war bisher immer eine willkommene Abwechslung. Hin und zurück 5 km durch herrliche Landschaft – zunächst den Strand entlang, dann durch die Macchia mit vielen und erstaunlich großen Wolfmilch-Pflanzen, dann kurz vor der Punta Negra einen kurzen Anstieg hinauf zur Portella Delle Vacche (dem „Tor der Kühe“) und zur Scogliera di Salinella („salzige Klippe“), dort ein schönes ebenes Stück entlang (auf der einen Seite wunderbare Kühe – noch mit Hörnern!, auf der anderen Seite gemütliche Schafe) – und dann runter ins Dorf.
Noch vorgestern konnten wir dort ein ein Gemüsewagen herrlich frische Ware aus Sizilien einkaufen, während es im Supermarkt mitten auf der Gemüseinseln Zwiebeln aus Frankreich gab!!!
Nun rät uns das Campingplatz-Team dringend, die Einkäufe von ihm erledigen zu lassen. Autocertificazione (Selbsterklärung, daß man nicht infiziert ist) hin oder her. Was zur Folge hat, dass wir nun statt zweier großer Dosen Hundefutter zwei große Säcke Hundefutter im und vor dem Auto stehen haben. Aber was soll’s: irgendwann frisst Arco den Inhalt schon auf auch wenn’s erst in Reutte sein sollte.
Eher romantisch ist es da, daß Vito Parrinello, der Fischhändler, mit seinem Wagen direkt vor unseren Ford Transit fährt und uns die Sepia, den Tintenfisch, vor unseren Augen zerlegt. So frische Ware hatten wir noch nie – morgens gefangen, vor ein paar Stunden. Im Golf von Macari. Quasi vor unseren Augen. Denn wegen Corona dürfen auch die Fischer von San Vito nicht so weit raus aufs Meer fahren. Dorade und Schwertfisch gibt es daher nicht. Aber so frische Ware hatten wir noch nie! Nicht mal bei unseren Besuchen auf der Biennale in Venedig! Höchstens noch bei Andrea Pivato im Hotel Imperiale in Gatteo Mare.
Das führt freilich dazu, dass wir uns zum ersten Mal wirklich Gedanken (wohl gemerkt: Gedanken, nicht Sorgen) darüber machen, ob und wie wir heimkommen.
Dass wir am 17. März von der Gemeinde mit einem Gratis-Fieber-Thermometer versorgt wurden und seither Roberto Cassara, dem örtlichen Arzt, jeden Abend per WhatsApp unsere Körpertemperaturen mitteilen mussten – das war kein großer Einschnitt. Aber jetzt ist laut Campingplatz-Team sogar Militär im Dorf und überwacht die Einhaltung der Vorschriften.
Zudem ist unseren Nachbarn vom Campingplatz erst gestern eine Fähre nach Genua geplatzt, obwohl sie eine Buchungsbestätigung hatten. Mein Freund Giuseppe Perna von der Band Vucciria, der in Graz lebt, hat mir zu dem einen Artikel geschickt, laut dem der Regionalpräsident von Sizilien, Sebastiano Musumeci, alle Verbindungen zum Festland gekappt hat.
Also schau mr mal, was wirklich Sache ist. Der ÖAMTC in Innsbruck hat keine Ahnung und verweist mich an die österreichische Botschaft. Die Dame in Tirol gibt mir eine Telefonnummer. Dass die eine österreichische Vorwahl hat, irritiert mich. Aber das stimmt schon, beharrt sie darauf. Bei meinem Anruf dort bestätigt sich jedoch meine Vermutung: ich bin nicht mit der österreichischen Botschaft in Rom, sondern mit dem österreichischen Außenministerium in Wien verbunden.
Aber dasWichtigste ist: Ochkann mit einer kompetenten, freundlichen, hilfsbereiten und völlig unaufgeregten Dame sprechen, die mich darauf hinweist, dass sich in Italien die Dinge im Moment ständig änderten. Das gelte auch für unsere Rückreisepläne. Ob man auch die kurze Fähre von Messina nach Apulien benutzen und dann sich auf dem Landweg zum Brenner durchschlagen könne? „Kann sein, aber Sicheres können wir im Moment nicht sagen.“
Ich bekomme zwei Telefonnummern: die von der Konsularabteilung in Rom (zuständig für unseren jetzigen Aufenthalt auf Sizilien und bei der Rückreise bis Höhe Umbrien) und die des Konsulats in Mailand.
Also diesmal wirklich Rom! Und erneut: große Freundlichkeit, gelassene Atmosphäre, sachliche Einschätzung der Situation, kompetente Auskunft.
Die lautet in diesem Fall: die aktuelle Lage ist wegen der sich überschlagenden Entwicklungen (seit ein paar Stunden ist in ganz Italien auch Wandern, Joggen und Radfahren verboten) auch uns nicht recht klar – aber die Honorarkonsulin in Palermo, Helga Rauscher-Omodei – die weiß alles, was man im Moment nur wissen kann!
Und das stimmt tatsächlich: „Ja, die Fähren sind alle gecancelt, in Messina herrscht das Chaos, von Palermo fährt nichts mehr, nirgendwo hin. Wie lange das so bleibt? In Moment gibt es keine Informationen. Tut mir leid. Machen Sie das Beste draus! Bleiben Sie so gelassen wie bisher! Rückholflüge gibt es, wenn überhaupt, nur von Rom. Aber dann müssten Sie das Auto ja da lassen. Ist also auch nix! Ich sehe ja ihre Telefonnummer auf dem Display. Ich schreib sie mir auf, melde mich, wenn ich gesicherte neue Informationen habe. Versprochen!“
Es folgt noch ein netter Plausch mit der Frau Konsulin über die Schönheit Palermos und meinen verpassten Barbier-Besuch. Wir verabschieden uns in einer lockeren heiteren Atmosphäre.
Und ich denke mir: Die Diplomatinnen und Diplomaten machen im Moment wirklich einen tollen Job. Solch freundliche Unaufgeregtheit und Kompetenz geben Sicherheit, sind ein toller Schutzschirm vor der Panik.
Ich muß an meine Jugend denken: Eigentlich wollte ich ja nach der Mittleren Reife das Gymnasium hinschmeißen. Kein Bock mehr. Mein Vater verbot es nicht. Schickte mich nur zur Berufsberatung. „Was willstDu denn werden, junger Mann?“ Diplomat, Botschafter. „Das mußt Du Dir mit Mittlerer Reife aus dem Kopf schlagen. Da brauchst Du ein mit 1 abgeschlossenes Jurastudium. Mindestens!“
Also habe ich dann doch dieses blöde Abitur gemacht. Botschafter bin ich zwar nicht geworden, aber in meinem Traumberuf als Journalist bin ich ja was Ähnliches.
Und ich ziehe meinen Hut vor denen, die in Außenministerien, Botschaften und Konsulaten in aller Hektik und Unsicherheit so tolle Arbeit leisten. Diese Ruhe und Kompetenz gibt einem als Bürger (egal, ob Deutscher oder österreichischer) ein ganz schön gutes Gefühl. Vielen herzlichen Dank dafür!
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Bevor ich diesen Blog online stelle, höre ich, dass die nächste Fähre wohl frühestens am 4. April fährt. So langsam stelle ich mich auf Ostern in Sizilien ein.
Egal. Solange die Sonnenuntergänge über den Golf von Macari so schön sind.
Und die Frau Konsulin wird sich schon melden, wenn es so weit ist.