Die Nacht im Massenlager war überdurchschnittlich gut. Wir fühlen uns erholt und gestärkt für unsere erste „richtige“ Etappe auf unserer Lagorai-Durchquerung. „Translagorai“ heißt die Tour, die in Deutschland wohl nicht allzu viele kennen dürften.

Für Alessandro Beber, den Bergführer, den mir Cristina Eberle vom Tourismusverband Val Sugana empfohlen und als Ratgeber vermittelt hat, zählt sie zu „den schönsten Treks dieser Welt“. Und das, obwohl er schon Touren in Nepal und Peru geführt hat.

Warum das? „Geh halt und schau selbst!“, sagt er nur. Und da sind wir natürlich gespannt.

Lagorai

Die ersten Wolken am Himmel über den Lagorai beunruhigen uns nicht hat allzu sehr

Auf jeden Fall geht es höchst angenehm los. Eine erträgliche Steigung, und wir müssen nicht auf den Gipfel des Schrirbler, sondern können kurz darunter zum Außertoljoch queren, auch der höchste Punkt des Kunken bleibt uns erspart, dafür bietet sich uns schon jetzt nach allen Richtungen ein fantastischer Blick. Die paar Wolken am Himmel stören uns nicht.

Knäuel-Glockenblume in den Lagorai

Auch Mitte August blüht es noch in den Lagorai: hier die Knäuel-Glockenblume

Am Sattelenjoch (Passo Cagnon de Sopra) müssen wir dann das altdeutsche Sprachgebiet des Fersentals verlassen. Wir treffen eine junge Trentinerin mit ihrem Hund. „Ich bin wohl das letzte Mal mit Turcho hier“, sagt sie bedauernd: „Er ist blind.“ Wir staunen, wie er dennoch treu und sicher neben und hinter seinem Fraule hertrottet. Er läuft nach Geruch. „Und er kennt die Gegend“, erklärt sie. Trotzdem ist es für mich wie ein Wunder, mit welcher Sicherheit er das packt.

Wir reden auch übers Wetter. „Die Wolken da gefallen mir nicht“, meint die einheimische junge Dame: „Heute regnet es nicht. Aber ich glaube, morgen.“

Eine unendliche Bergwelt wartet noch auf uns

Manchmal kann es bis morgen nur zehn Minuten sein. Dann nämlich müssen wir mitten am Hang in einer Blitzaktion unsere Regensachen auspacken, vom ersten Tropfen bis zum Dauerguß dauert es keine Minute.Wir kauern uns zuerst in einer Militärstellung aus dem Ersten Weltkrieg nieder. Aber mir Neu-Rentner geht das schon nach Minuten gewaltig in die Knie. Also: raus aus der Hocke, rein in den Regen!

Bei einem solchen Sauwetter können Minuten zu Stunden werden. Der Regen setzt das Zeitgefühl außer Kraft, auch die Orientierung läßt nach. Manchmal zweifle ich, auf dem rechten (respektive richtigen) Weg zu sein. In einer Regenpause essen wir was. Und wieder ist es Zeit zum Staunen: Es ist schon fantastisch, wie schon Sekunden nach dem letzten Tropfen die Schmetterlinge wieder munter durch die Luft schwirren! Wo die wohl Schutz gesucht und gefunden haben?!

So gegen 15.30 Uhr haben auch wir Schutz gefunden. Wenn auch keinen Komfort. Wo auf der Karte das Bivacco al Mangheneto verzeichnet ist, stehen zwar gleich zwei Hütten. Aber beide sind außen hui, aber drinnen eher hui-minus. Sicher, man hat ein Dach über dem Kopf, und das ist gut. Aber es gibt keine Matratzen, keine Decken.

Unübertrefflich: Christine, die Wäschetrocken-Meisterin

Dafür aber Hinweise, man solle mit dem Holz sparsam umgehen. Würde ich ja gerne, wenn denn eins da wäre! So aber muß ich erst mal den (mehr oder minder) lustigen Holzhackerbua spielen, um mit den Resten irgendwelcher Pressspannplatten, die wir draußen vor der Tür gefunden haben, Christine bei ihrer tapferen Wäschetrocken-Aktion zu unterstützen. Trotz Schutzhaut ist der Regen eben doch in den Rucksack vorgedrungen, und wir lernen: Innendrin eben doch nochmal alles in Plastik verpacken!

Der Schornstein raucht: Meine Aktion als lustiger Holzhackerbua war erfolgreich

Das Abendessen ist eher kalt, aber immer noch findet sich in einem der Biwaks eine noch nicht leere Flasche Grappa alla Ruta, von deren Inhalt man etwas in den dünnen Tee gießen kann.

Und wir spüren, daß man doch auch auf harter Unterlage einigermaßen schlafen kann, wenn man erschöpft genug ist.

Gegangen am 16. August 2017

Geschrieben am 22. August 2017

Start: 8.30 Uhr

Ziel: 16.30 Uhr

Höhenunterschied: 400 Meter auf und ab

Übernachtung im Bivacco Mangheneto; sehr schlecht, aber für Normalwanderer die einzige Möglichkeit; Informationen über das Wandern in den Lagorai unter www.visitvalsugana.it

Informationen zur Region gibt es unter gibt es unter https://www.visittrentino.info/de