Schon am zweiten Tag unserer Camper-Tour durch Burgund wird klar: Diese Reise steckt voller Überraschungen. Mit dieser Landschaft verbindet man ja in schwäbischen Landen hauptsächlich die großen Namen von Beaune oder Dijon. Aber das ist irgendwie ungerecht. Uns bezaubern, ja begeistern hier die kleinen Städtchen. Joigny, unsere zweite Station hat gerade mal um die 10 000 Einwohner. Aber dennoch reicht ein Blog-Artikel gar nicht aus, um all das zu beschreiben, was da an Sehens- und Bemerkenswerten auf einen wartet.
Dafür muss man freilich ein Auge und ein Herz haben, die beide die Dinge hinter den Dingen sehen und spüren. Und das gelingt einem umso leichter, wenn man mit einem Führer wie Robert Markzoll (einem Basler, der seit 30 Jahren in dieser Gegend lebt) durch die Gassen geht. Er kann herrlich erzählen – und dabei eine Brücke zwischen vermeintlich Vergangenem und Gegenwart schlagen.
Die Rue Gabriel Cortel zum Beispiel von der Yonne hinauf in die Oberstadt führt durch zwei Zeilen mit herrlichen Fachwerkhäusern. Voller Romantik also. Doch wer den Blick aufs Erdgeschoss richtet, erschrickt: Über die Hälfte der Geschäfte stehen leer, immer wieder stößt man auf Schilder „zu verkaufen“.
Binnen zwei, drei Jahren hat ein Massensterben der kleinen Läden eingesetzt – ausgelöst durch die modernen Einkaufszentren auf der grünen Wiese. Hier sieht man, was blühen kann, wenn man etwa in der Region Stuttgart derlei Dinge schleifen und treiben lässt. Die Innenstadt stirbt einen erst schleichenden, dann aber rapid schnellen Tod.
Doch nun genug der aktuellen Städtebaupolitik. Inmitten der uralten Häuserzeilen trifft man auf einen modernen Platz. Der wurde eher unfreiwillig geschaffen, ist er doch Folge einer gewaltigen Gasexplosion 1981, bei der drei Menschen ums Leben kamen.
Aber nicht die neuen Häuser hier sind spektakulär, sondern ein Fachwerkhaus aus der Renaissance.
„Es ist ein Ros entsprungen“ zählt wohl zu den bekanntestes es deutsch en Weihnachtsliedern. „Wie uns die alten sungen, von Jesse kam die Art“ geht es weiter. Viele wissen nichts damit anzufangen. Hier an diesem Haus wird es einem buchstäblich vor Augen geführt: Jesse, das war der Vater Davids und damit der Urahn Jesu. Sein Stammbaum ziert das Fachwerk dieses Hauses. Es ist nur eins von zwei Zivilhäusern in Burgund, an denen dieses Motiv auftaucht. Das andere ist das Abrahamshaus in Sens.
Leider ist es in einem höchst bedauerlichen Zustand. Und das gilt auch für die alte Vogtei oben am Schlossberg an der ersten Stadtmauer. Hier sticht der Drache an einem Querbalken ins Auge – Reminiszenz an die Nibelungen, als deren Nachfahren sich die Burgunder sehen.
In einem ziemlich desolaten Zustand ist auch das Schloss. Aber obwohl es leersteht und dringend der Sanierung harrt, kann man noch die Pracht der Renaissance erahnen, die hier zu Zeiten der Grafen erstrahlte.
Rein oberflächlich betrachtet ist also die erste Begegnung mit Joigny eher trist. Aber nur auf den ersten Blick. Wer sich auf diese Stadt einlässt, der spürt ihre zauberhafte Atmosphäre. Es ist gewissermaßen eine Dornröschenstadt, die darauf wartet, wachgeküßt zu werden.
Es gibt noch viel zu erzählen über die versteckte und verdeckte Scönheit von Joigny. Doch davon später.
Informationen zur Stadt: http://www.joigny-tourisme.com
Robert Markzoll ist hier zu erreichen: http://www.reisefuehrung-burgund.com
Genießertipp: In Ihrem Haus in der Rue Neuve 2 in der Altstadt hat Prunelle nicht nur eben Schönheitssalon und viele schöne handgemachte Dinge im Angebot, man kann bei ihr auch im Wohnzimmer oder dem Gärtle köstlichen Tee trinken und selbstgemachte Kuchen und Süßigkeiten genießen.
http://www.lamaisondeprunelle.fr
Übernachtung: Camping Joigny. Herrlich gelegen, direkt an der Yonne. ACHTUNG: öffnet erst am 1. Mai. E-Mail: camping.joigny@orange.fr
Alternative: Camping de La Cascade. Rund 1 Stunde entfernt ebenfalls herrlich gelegen direkt an Wasserfall und Badeplatz. ACHTUNG: normalerweise keine Hunde erlaubt.